Der BVMS im Gespräch mit Landtagskandidatin Barbara Lange (FREIE WÄHLER)
"Aufgeblähte Bürokratie blockiert Zukunft der Republik"
Frankfurt. In einem Austausch zwischen der hessischen Landtagskandidatin Barbara Lange (FREIE WÄHLER) und dem BVMS-Präsidenten, Lars Müller (Foto), kristallisierte sich eine große Schnittmenge bei den Themen heraus. Egal ob die überbordende Bürokratie, die nur schleppend vorankommenden Digitalisierung oder das zunehmende Ungleichgewicht zwischen dem Leben in der Stadt und auf dem Land. Beide sehen großen Handlungsbedarf. Schnell stießen die Gesprächspartner zudem auf ein Thema, das aktuell fast jeder Branche auf den Nägeln brennt: Den Fachkräftemangel.
Der BVMS-Präsident wünscht sich diesbezüglich vor allem, dass die Einstiegsvoraussetzungen optimiert, also, dass im Ausland erworbene Qualifikationen in Deutschland leichter anerkannt würden. Barbara Lange betont, dass sie auf kommunaler Ebene bereits einen Antrag in diese Richtung eingebracht habe. „Es leben viele Menschen hier, deren in ihrem Herkunftsland erworbenen Abschlüsse nicht anerkannt werden.“
BVMS-Präsident Lars Müller
Anstatt dieses riesige Potenzial jedoch zu nutzen, lasse die Politik die Betriebe mit dem Problem der Mitarbeitergewinnung alleine. Mit gravierenden Folgen: Da Unternehmen sich zumeist darauf konzentrieren würden, passgenaue Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben, entstünden wiederum neue Probleme: „Zwar beseitigt man so den Fachkräftemangel, aber es fehlt dann wiederum an entsprechender Infrastruktur, also an bezahlbarem Wohnraum und Schul- oder Kitaplätzen für diese Menschen“, so die Landtagskandidatin.
Ausländische Abschlüsse werden selten anerkannt
Auf politischer Ebene sei man sich dieser Problematik sehr wohl bewusst, hat Barbara Lange erfahren, jedoch würden sich Entscheidungsträger schwer damit tun, ausländische Abschlüsse anzuerkennen. „Das wird häufig damit begründet, dass das deutsche Berufsbildungssystem als besonders hochwertig angesehen wird und daher geschützt werden muss.“ Sie selber bewertet das vor allem für das EU-Ausland jedoch anders und fordert daher, „dass diese Einschätzung auf den Prüfstand gestellt wird“.
Aber auch in der Aus- und Weiterbildung hakt es offenbar – und das allerdings nicht von Seiten des Staates, sondern von den Betrieben selbst. So würde beispielsweise das großzügig geförderte Modell der sogenannten Teilqualifikation für Schutz und Sicherheit von einigen Unternehmern dadurch unterminiert, dass sie ihre Mitarbeiter nur ein oder zwei der insgesamt sechs Module absolvieren ließen, anstatt sie das gesamte Ausbildungsprogramm durchlaufen zu lassen, betont Lars Müller.
„Dadurch generieren sie für ihr Unternehmen zwar kostengünstige Arbeitskräfte, sorgen jedoch dafür, dass andere die Ausbildung nicht beenden können, da Module dann wegen Teilnehmermangel platzen.“ Ähnliche Fälle gebe es in anderen Bereichen auch. Hier stellt sich jedoch die Frage, wie man derartige Praktiken grundsätzlich verhindern kann? Als Vertreterin einer liberalen Partei, sei sie kein Freund von Reglementierung, sondern setze eher darauf, Anreize zu schaffen, betont Barbara Lange: „Beispielsweise durch Steuervergünstigungen für die Unternehmer oder Zuschüsse für deren Mitarbeiter, wenn sie weitere Module absolvieren.“
Mehr in ländliche Regionen investieren
Einen weiteren Impuls in eine ähnliche Richtung versuche ihre Partei ebenfalls zu geben: „Wir setzen uns grundsätzlich dafür ein, dass die Bedingungen sowohl zur Lebensbildung als auch die Berufssituation auf dem Land an die in der Stadt angeglichen werden sollten. Denn die ländlichen Bereiche werden tatsächlich immer mehr abgehängt.“ Beispielsweise plädiere ihre Partei dafür, dass sowohl die Ausbildungsplätze als auch die entsprechenden Berufsschulen möglichst heimatnah gelegen sein sollten, damit die Menschen nicht mit unnötigen Logistikproblemen zu kämpfen hätten. Zwar wäre die Bildung von neuen Berufsschulzentren mit Kosten verbunden, aber unter dem Aspekt des Fachkräftemangels ließen sich Investitionen in derartige Einrichtungen auf jeden Fall rechtfertigen.
Lars Müller sieht in diesem Zusammenhang einen anderen, deutlich kostengünstigeren Ansatz: „Vielleicht wäre es ja eine Option, den Berufsschulunterricht grundsätzlich auf online umzustellen“, so der BVMS-Präsident. Technisch wäre das sicherlich machbar, ist er überzeugt. Selbst bei Tests gebe es inzwischen die Möglichkeit, per Videoüberwachung das Manipulieren durch die Prüflinge zu verhindern.
Bei der Digitalisierung hinkt Deutschland hinterher
Diesen Punkt nimmt Barbara Lange, deren Schwerpunkt im Bereich Bildung liegt, gerne auf. „Die Verbindung von Bildung und Digitalisierung kann hier nur im Interesse aller Beteiligten sein. Leider hinkt Hessen besonders hinterher“, so die Landtagskandidatin mit dem Listenplatz 4.
Der Nachholbedarf in puncto Digitalisierung betrifft aber ganz Deutschland. Das läge vor allem an der Bürokratie und der enormen Überregulierungen, die über allem stehe in der Bundesrepublik. So hätte vor der Corona-Pandemie das hessische Kultusministerium verschlafen, Bundesgelder für die Digitalisierung der Schulen abzurufen, sodass während der Pandemie die Schulen vor riesigen Problemen bei einer möglichen Umsetzung gestanden hätten. „Nur um die nötigen Kabel für eine W-Lan-Infrastruktur zu verlegen brauchen die Schulen in Hessen zunächst eine Baugenehmigung“, erklärt Barbara Lange. „Das während der Pandemie zügig durchzuführen, hat nicht funktioniert. Am Ende hat Hessen es gerade mal geschafft, in der Zeit E-Mail-Adressen für die Lehrer einzurichten und das dann auch noch als die ‚Digitaloffensive in Hessen‘ deklariert. Das hat die Bürger Hessens enttäuscht.“
Doch damit nicht genug: Auch wurde den öffentlichen Schulen aus datenschutzrechtlichen Gründen verboten, „Zoom“ oder „Teams“ zu nutzen, wodurch ihnen Nachteile gegenüber den privaten Schulen entstünden. Aufgrund dieser Fakten fällt die Landtagskandidatin ein vernichtendes Urteil über den politischen Umgang mit dem Thema: „Entweder wird die Digitalisierung von den Entscheidern nicht verstanden, respektive sie sehen deren Vorteile nicht oder sie hören einfach nicht auf die Stimmen, die immer lauter danach rufen.“
Bürokratische Verkrustungen aufbrechen
Es müssten daher endlich die bürokratischen Verkrustungen aufgebrochen werden, damit Verwaltungsakte vereinfacht, beschleunigt und damit effektiver umgesetzt werden könnten. Die üppige Überreglementierung und aufgeblähte Bürokratie hingegen blockierten die Zukunft der Republik nachhaltig, ist Barbara Lange überzeugt.
Ein Thema mit dem sie bei Lars Müller offene Türen einrennt. Der BVMS-Präsident verwies in diesem Zusammenhang auf das bundesweit installierte Bewacherregister (BWR). Eine aus seiner Sicht grundsätzlich gute Idee, die bislang allerdings nur unzureichend funktioniere. So seien viele Angestellte – vor allem der kleineren Ordnungsämter – überhaupt nicht geschult im Umgang mit dem BWR. Was dazu führe, dass man entsprechend lange auf die Freigabe eines neuen Mitarbeiters durch das Amt warten müsse. „Bei uns im fränkischen Nürnberg klappt das sehr gut, da bekomme ich die Freigabe nach rund einer Woche, in anderen Städten aus der Umgebung warte ich allerdings bis zu drei Monate“, erklärt Müller. Das Problem dabei: Einen neuen Mitarbeiter darf man erst einsetzen, wenn die Freigabe erteilt wurde. „Macht man es trotzdem, riskiert man eine Strafe von demselben Ordnungsamt, das für die Freigabe unverhältnismäßig lange benötigt.“
Uneinheitliche Gebühr sorgt für Ungerechtigkeit
Ein weiterer Fakt in diesem Zusammenhang sei die uneinheitliche Gebühr, die man für diese Überprüfung durch die einzelnen Ordnungsämter zu entrichten habe: „In Nürnberg zahle ich beispielsweise 75 Euro, in einer ländlichen Gegend teils hingegen nur 30 Euro. In NRW oder Teilen von Hessen kostet es wiederum 150 Euro, einen neuen Mitarbeiter überprüfen zu lassen.“ Hier wünscht sich Lars Müller eine einheitliche Regelung. Nicht zuletzt, um eine Gerechtigkeit für die Mitarbeiter der Sicherheitsbranche herzustellen. Denn bei gleicher Qualifikation, würde man auf den Bewerber zurückgreifen, der aus einer „günstigeren Gemeinde“ komme.
Barbara Lange plädiert hier für Angleichung der Fristen, in denen die Ordnungsämter eine Überprüfung durchgeführt haben sollen. Selbstverständlich habe man in diesem Kontext auch immer die Zuständigkeit zu berücksichtigen. „Sollten wir uns hier im kommunalpolitischen Zuständigkeitsbereich bewegen, wären wir ein guter Ansprechpartner für eine entsprechende Initiative – die Partei ist dafür bekannt, flächendeckend stark in der Kommunalpolitik vertreten zu sein. Ich kann mir hier gut vorstellen, dass wir in der Angelegenheit eine konzertierte Aktion innerhalb der gesamten Partei der FREIE WÄHLER auf den Weg bringen könnten.“
Barbara Lange sieht kaum eine Chance auf Vereinheitlichung
Bei den Gebühren sieht sie hingegen kaum eine Chance auf eine Vereinheitlichung. „Das ist so ähnlich wie mit der Gewerbesteuer. Es gibt Kommunen, die haben Geld. Dann sind sie gegenüber der Wirtschaft sehr entgegenkommend. Und es gibt Gemeinden, die haben kein Geld und nutzen die Möglichkeit, deutliche höhere Gebühren zu erheben als solventere.“ Dass man im Einzelfall Gemeinden dazu bewegen könnte, diese Gebühren zu senken, könne sich Barbara Lange hingegen durchaus vorstellen.
Abschließend lud Barbara Lange Lars Müller ein, weitere, für die private Sicherheitsbranche relevante Themen über sie an den Bundesfachausschuss für äußere und innere Sicherheit ihrer Partei heranzutragen. „Das ist ein stark aufgestellter Fachausschuss, der die Belange der Branche bundesweit evaluieren und umsetzen könnte.“
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